S, 2 SWS (Di 14 - 16), LG 4, D02
Christiane Heibach
Das Gesamtkunstwerk, wie es in der Nachfolge Richard Wagners die Kunstwelt erobert hat, führt bis heute eine nahezu mystische Existenz, auch wenn niemand so recht weiß, was man sich genau darunter vorzustellen hat. Von der Kathedrale über die Gartenkunst bis zur Straßenbahn scheint sich nahezu jedes komplexes Phänomen für die Bezeichnung "Gesamtkunstwerk" anzubieten. Das Seminar versucht, den Begriff des "Gesamtkunstwerks" ausgehend von Wagner näher zu bestimmen. Für Wagner hat das Gesamtkunstwerk v.a. drei maßgebliche Merkmale: Mehrmedialität, mehrsensuelle Wahrnehmung beim Rezipienten sowie eine enge Vernetzung zwischen Künstlern und Publikum bis hin zur Vision eines kollektiven Künstertums aus dem Geiste des Volkes. Realisierte er zumindest Teile dieses Konzepts in Gestalt des Musikdramas im Rahmen der Bayreuther Festspiele, so läßt sich beobachten, daß nach ihm ein Ausdifferenzierungsprozeß der Aufführungskünste stattfindet, in dem jeweils unterschiedliche Faktoren in den Mittelpunkt rücken (entweder das mediale Zusammenspiel oder die Vernetzung oder die Sinneswahrnehmung). An Beispielen insbesondere aus den Avantgarde-Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts soll versucht werden, eine Typologie von Gesamtkunstwerken zu entwickeln, aus der sich möglicherweise gleichzeitig Kriterien für die Bezeichnung einer Kunst als Gesamtkunst ableiten lassen.